Beschlussvorschlag:
Die Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung
- der Braunschweiger Verkehrs-GmbH Braunschweig
und
- der Braunschweig Beteiligungen GmbH werden angewiesen, die Geschäftsführung der Braunschweig Beteiligungen GmbH zu veranlassen, in der Gesellschafterversammlung der Braunschweiger Verkehrs-GmbH
folgenden Beschluss zu fassen:
Ab sofort wird auf das Stellen von Strafanträgen wegen Erschleichens von Leistungen (§ 265a StGB) verzichtet.
Sachverhalt:
Wer ohne Fahrschein erwischt wird, kann wegen „Erschleichens von Beförderungsleistungen“ zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet werden. Wer dies nicht zahlt, nicht zahlen kann oder z.B. mehrfach erwischt wird, muss, sofern Strafanzeige gestellt wird, mit einer Geldstrafe rechnen, oder eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, d.h. die Geldstrafe im Gefängnis absitzen.
Ersatzfreiheitsstrafen treffen vor allem arme und hilfsbedürftige Menschen, psychisch Kranke, Suchtkranke und Obdachlose. Die Betroffenen können nicht zahlen oder sind mit der Situation überfordert. In manchen Fällen wissen sie gar nicht, dass sie zu einer Geldstrafe verurteilt wurden. Bei von Armut betroffenen Menschen entfaltet die Haftandrohung nicht die gewünschte abschreckende Wirkung, da sie die geforderten Bußgelder schlichtweg nicht bezahlen können. Die extremen Nachteile für die verurteilte Person stehen in keinem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Tat. Zudem wird den Inhaftierten keine sinnvolle Behandlung ermöglicht, die ihnen aus der Situation helfen könnte. Ersatzfreiheitsstrafen verschärfen somit nur soziale Probleme und Ungleichheiten.
Die Kosten für die Inhaftierung von Zahlungsunfähigen beliefen sich nach Angaben der Bundesregierung 2022 auf durchschnittlich 157,72 Euro pro Hafttag. Das bedeutet, dass bundesweit täglich rund 450.000 Euro für die Inhaftierung von verurteilten Schwarzfahrenden ausgegeben werden, für Personen also, die im strafrechtlichen Sinne nicht gefährlich sind.
Immer mehr Kommunen werden selbst aktiv, um das Schwarzfahren zu entkriminalisieren. Einige Stadträte wie zum Beispiel von Düsseldorf, Münster und Köln schreiben ihren Verkehrsunternehmen vor, Schwarzfahrende nicht mehr anzuzeigen. Am Straftatbestand selbst können die Städte nichts ändern. Die Entscheidung, regelmäßig davon abzusehen, sorgt aber für den Wegfall der tatsächlichen Strafverfolgung.
Mit Anfrage 24-24329 hat unsere Fraktion erfragt, ob Braunschweig ebenfalls das Ziel verfolgt Schwarzfahren zu entkriminalisieren. Die Antwort war erschreckend. Von August 2022 bis August 2024 wurden von der BSVG 648 Strafanträge gestellt. Weiter hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig mitgeteilt, dass von Juni 2022 bis Juni 2024 gegen 196 Personen Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden. Von diesen Menschen wiederum wurden nur 113 Personen vom Amtsgericht verurteilt. Die anderen 83 Menschen sind in das Gefängnis gekommen, ohne je einen Richter gesehen zu haben. Es ist schwer vorstellbar, dass so etwas in unserem Rechtsstaat überhaupt möglich ist, zumal es sich ausschließlich gegen Arme richtet.
Der vorliegende Antrag soll diese Praxis beenden und einen Bereich entkriminalisieren, der nicht kriminell ist. Wer schwarz fährt, muss mit einem erhöhten Beförderungsentgelt rechnen. Das ist Strafe genug.
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