Eine Städtische Musikschule mit einem Proben- und Konzertsaal mit einem Fassungsvermögen von rund 200 Personen zu planen, das war der Ratsauftrag aus 2019. Im Juni 2020 ergänzte Kulturdezernentin Hesse per Mitteilung und ohne Beschluss die Planungsvariante eines größeren Konzertsaals, da gemäß eines neuen Konzeptpapiers in diesem Bereich „eine Lücke in der kulturellen Infrastruktur der Stadt Braunschweig“ existiere.
Prestige-Projekt Philharmonie
Im März 2023 liegt nun ein Grundsatzbeschluss zur kombinierten Planung der Städtischen Musikschule mit einem Konzerthaus zur Beschlussfassung vor. Dass die Musikschule hier an erster Stelle genannt wird, wirkt zunehmend ironisch. Von einer „ergänzenden Planungsvariante Konzerthaus“ ist nichts mehr zu sehen. Viel mehr ist das Prestige-Projekt Philharmonie zur alles bestimmenden Voraussetzung geworden, der sich die beschlossene Musikschule unterordnen muss. In der Ausschreibung zu Machbarkeitsstudie und Standortanalyse, die an das Hamburger Studio PFP vergeben wurden, heißt es: „Im Zuge der politischen Diskussion um die städtische Musikschule wurde von der Verwaltung entschieden, dass der Konzertsaal nicht für 199, sondern für 1.000 sitzende Zuschauer konzipiert werden soll.“ Keine ergänzende Untersuchung, sondern eine eigenmächtige, exklusive Vorgabe, die nicht mit dem Ratsbeschluss übereinstimmt.
Die Stadtverwaltung hat sich mächtig ins Zeug gelegt
Dass dieses Vorgehen von den Fraktionen der rotgrünen Ratsmehrheit mitgetragen werden wird, ist nicht verwunderlich. Die Stadtverwaltung hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um inhaltliche Argumente für ihr Vorgehen zu liefern: Eine 200-seitige Bedarfsanalyse des Vermarktungsunternehmens actori, die wenig verwunderlich zu dem Schluss kommt, dass der Bedarf für die gewünschte Philharmonie vorhanden sei, diese mit hoher Auslastung wirtschaftlich betrieben werden könne und sich durch die Kombination mit Musikschule Synergien ergeben würden; eine Machbarkeitsprüfung, die zu dem Ergebnis kommt, dass der gewünschte Standort an der südlichen Ecke des Viewegsgarten optimal sei; einen planerischen Entwurf des Landschaftsarchtekturbüros hochC, der die Fläche des Viewegsgarten sogar noch vergrößert und aufwertet; und einige gewichtige Stimmen, die sich für das vorgelegte Konzept aussprechen, unter ihnen Stellungnahmen des Landesverbandes niedersächsischer Musikschulen sowie des Staatsorchesters Braunschweig. Wer kann da schon dagegen sein?
Standortanalyse sind für eine Städtische Musikschule unbrauchbar
„Die gesamte Untersuchung wurde unter der Voraussetzung, dass eine Philharmonie gebaut wird, durchgeführt“, meint Kai Tegethoff, planungspolitischer Sprecher von Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI. „Die Ergebnisse der Standortanalyse sind für das eigentliche Planungsziel, eine Städtische Musikschule, unbrauchbar.“ Außerdem seien die untersuchten Standorte willkürlich ausgewählt worden. Das Ergebnis, dass der Viewegsgarten zulasten des überdimensionierten Verkehrsraums am Bahnhof vergrößert werde, sei zwar erfreulich, dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein weiteres riesiges Prestige-Projekt ohne Berücksichtigung eines ressourcenschonenden und finanziell tragbaren Vorgehens durchgeführt werden würde, das in der heutigen Zeit und angesichts der finanziellen Lage der Stadt kaum vermittelbar sei. „Hier wird wieder eine Unmenge grauer Energie verbraucht und es wird einen nicht geringen dreistelligen Millionenbetrag bedürfen, um dieses Projekt umzusetzen,“ schließt Tegethoff.
Die Verbesserung der Situation für die Musikschüler:innen muss im Vordergrund stehen
„Wir sind nicht generell gegen eine Philharmonie für Braunschweig, die unsere kulturelle Vielfalt bereichern würde.“ findet Michaline Saxel, kultur- und jugendpolitische Sprecherin von Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI. „Aber hier muss speziell die Verbesserung der Situation für die Musikschüler:innen im Vordergrund stehen.“ Und ob dies der Fall sein wird, sei am geplanten Standort und unter den geplanten Voraussetzungen mehr als fraglich. So wären Schüler:innen mit einem Musikschulstandort in der Innenstadt besser bedient. Die Notwendigkeit einen modernen Probe- und Konzertsaal in der ursprünglich geplanten Größe in die neue Musikschule zu integrieren, stünde zudem ebenfalls außer Frage.
Deshalb fordert Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI eine ergebnisoffene Prüfung aller möglichen Planungsvarianten und Standorte, insbesondere auch unter Berücksichtigung sozialer Aspekte, und lehnt die Vorlage zum Grundsatzbeschluss der Verwaltung ab. In der Pressemitteilung der Stadt war von einem Leuchtturm-Projekt für Braunschweig die Rede. Dies zulasten der Städtischen Musikschule umzusetzen und sich dabei über Ratsbeschlüsse hinwegzusetzen, ist sicherlich nicht der richtige Weg.