Regionaler Härtefallfonds – Ist Braunschweig dabei?

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Sachverhalt:

Bereits im September 2022 hatte DIE FRAKTION. – DIE LINKE., Volt, Die PARTEI die Beteiligung am niedersächsischen Härtefallfonds beantragt um weitere Energiesperren zu verhindern. Dieser Antrag wurde mehrheitlich vom Rat abgelehnt mit der Begründung, dass der Antrag zwar grundsätzlich richtig, aber zu voreilig sei. Hier hat sich die Situation grundlegend geändert.

Im November 2022 hat der niedersächsische Landtag den Nachtragshaushalt 2022 und 2023 mit einem Volumen von insgesamt 2,9 Milliarden Euro beschlossen. Teil des Nachtragshaushaltes ist die Unterstützung von regionalen Härtefallfonds mit bis zu 50 Mio. Euro. Zur konkreten Umsetzung haben Abstimmungen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Sozialministerium stattgefunden. Darüber wurden mit Rundschreiben 2/2023 die Hauptverwaltungsbeamten vom Niedersächsischen Städtetag informiert. Dem Rundschreiben beigefügt ist u.a. eine Endfassung der Muster-Verwaltungsvereinbarung zum Härtefallfonds und die Aufteilung des Gesamtvolumens auf die kreisfreien Städte und Landkreise. Danach könnte Braunschweig Mittel in Höhe von 1.549.906,81 Euro erhalten. Diese Mittel sollen neben den sozialen Sicherungssystemen und den Maßnahmen des Bundes subsidiär dort greifen, wo durch die massiv gestiegenen Energiekosten Härtefälle verbleiben und Energiesperren drohen.

Um die Mittel des Landes erhalten zu können, muss ein regionaler Härtefallfonds vorhanden sein, der Menschen unterstützt, die sich aufgrund der Energiepreissteigerungen in einer finanziellen Notlage befinden. Das Land erstattet dem regionalen Härtefallfonds ein Drittel der von ihm gewährten Unterstützungsleistungen zzgl. 10% als Verwaltungskostenzuschuss. Bis spätestens 31.03.2024 können Erstattungsanträge beim Sozialministerium eingereicht werden. 60% der Kosten würden die Stadt und BS Energy tragen. Bei voller Ausschöpfung der Landesmittel könnten ärmere Braunschweiger Familien mit einem Gesamtvolumen von 3,8 Mio. Euro bei der Bewältigung der hohen Energiekosten unterstützt werden.

Vor diesem Hintergrund wird die Verwaltung gefragt:

  1. Gibt es bereits Bestrebungen der Stadtverwaltung und von BS Energy einen regionalen Härtefallfonds zu gründen und wenn ja, welche?
  2. Beabsichtigt die Verwaltung grundsätzlich den Härtefallfonds des Landes Niedersachsen in Anspruch zu nehmen?
  3. Falls nein, mit welchen anderen Maßnahmen wollen Stadtverwaltung und/oder BS Energy die ärmere Bevölkerung bei der Bewältigung der hohen Energiepreise unterstützen?

Unsere Pressemitteilung

 

Stellungnahme der Verwaltung zur Anfrage der Gruppe Die Fraktion vom 22.02.2023 (Drs. 23-20773) 

Zu 1.:

Die Verwaltung hat das Angebot des Landes zum Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung intensiv geprüft und dabei auch BS Energy beteiligt.

Zu 2.:

Es ist beabsichtigt, die Verwaltungsvereinbarung mit dem Land zunächst nicht abzuschließen.

Im Fachbereich Soziales und Gesundheit bearbeitet bereits seit Jahren die Stelle Wohnhilfen erfolgreich drohende Energiesperren und Wohnungslosigkeit. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Jobcenter, dem Amtsgericht, Vermietern und den Energieversorgern, insbesondere BS Energy. Die Stelle Wohnhilfen soll personell und finanziell gestärkt werden, um Fallzahlsteigerungen erfolgreich bearbeiten zu können. Sollten wider Erwarten vermehrt Fälle auftreten, die unter den Härtefallfonds fallen würden, so ist perspektivisch der Abschluss der Verwaltungsvereinbarung beabsichtigt, sobald die Grenze von 45 einschlägigen Fällen erreicht wird.

Zu 3.:

Siehe 2.

BS Energy setzt ferner die Energiepreisbremsen für Strom, Gas und Fernwärme um. Die Verwaltung sichert die kommunalen Leistungen des Bürgergeldes (über das Jobcenter), die Umsetzung der Wohngeld-Plus-Reform sowie den Zweiten Heizkostenzuschuss unter anderem für Wohngeldbeziehende).

Das Land Niedersachsen hat zum Jahreswechsel den niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung über die Bildung lokaler Härtefallfonds angeboten.

Das Land bietet damit an, 1/3 der Kosten der tatsächlich gewährten Hilfen zu übernehmen.

Die Zielsetzung der lokalen Härtefallfonds, die Menschen in besonderen Notlagen, die ihre Energiekosten nicht bezahlen können und bei denen soziale Sicherungssysteme nicht greifen, zu unterstützen, ist vom Grundsatz her zu unterstützen. Die Umsetzung des Härtefallfonds in der vorgeschlagenen Form stellt sich jedoch als sehr verwaltungsaufwendig und kostspielig für die Kommune dar:

Das Verfahren ist sehr bürokratisch aufgebaut, zahlreiche Subsidiaritätsregelungen müssen durch die Kommune geprüft und dokumentiert werden. So dürfen beispielsweise Unterstützungsleistungen nur an bedürftige natürliche Personen erfolgen, die ihren Wohnsitz in der Kommune haben und bei denen im Zeitpunkt der Antragstellung eine finanzielle Notlage besteht. Eine finanzielle Notlage im Sinne dieser Vereinbarung liegt dann vor, wenn es der bedürftigen Person aufgrund der Preissteigerungen nicht möglich ist, die Energiekosten aus ihrem Einkommen oder vorhandenen Vermögen zu decken und deshalb die Verhängung einer Energiesperre konkret droht. Eigenes Vermögen, das zu einem Ausgleich der finanziellen Notlage eingesetzt werden kann, muss vorrangig eingesetzt werden. Hinsichtlich des dabei zu berücksichtigenden Vermögens sind die Vorschriften des SGB II in ihrer jeweiligen Fassung entsprechend anzuwenden. Aus dem regionalen Härtefallfonds dürfen Unterstützungsleistungen nur gewährt werden, wenn zuvor andere Hilfsmöglichkeiten vorrangig ausgeschöpft worden sind. Hierzu zählen Absprachen und Vereinbarungen mit Energieversorgungsunternehmen zur Abwendung der drohenden Energiesperre (Stundungen, Ratenzahlungen, Reduzierung von Abschlagszahlungen), die Inanspruchnahme von staatlichen Transferleistungen sowie von sonstigen öffentlich-rechtlichen Leistungen oder Billigkeitsleistungen, die der Abfederung der Preissteigerungen dienen. Ein Anspruch auf staatliche Transferleistung oder sonstige öffentlich-rechtliche Leistungen, deren Einsatz oder Verwirklichung die drohende Energiesperre abgewendet hätte, darf zum Zeitpunkt der Hilfegewährung aus dem regionalen Härtefallfonds nicht bestanden haben.

Hinzu kommt, dass auch mit den jeweiligen vor Ort aktiven Energieversorgungsunternehmen entsprechende Vereinbarungen zu schließen sind. Die Umsetzung des Härtefallfonds wird daher einen hohen bürokratischen Aufwand erzeugen. Die dafür absehbar erforderlichen personellen Ressourcen für die Beratung von Personen, die um Unterstützung aus einem Härtefallfonds nachsuchen und die Bearbeitung entsprechender Leistungsanträge stehen aktuell nicht zur Verfügung.

Die Umsetzung des Härtefallfonds stellt ferner eine zusätzliche freiwillige Aufgabe dar, während aktuell bereits die Erfüllung der Pflichtaufgaben insbesondere im Sozialbereich zunehmend schwieriger wird. Mit Blick auf die vielen aktuell bestehenden und noch anstehenden Aufgaben ab 01.01.2023 und die ohnehin angespannte Personallage ist es besonders wichtig, möglichst schlanke Verwaltungsstrukturen zur Aufgabenerledigung einzusetzen.

Angesichts der Energiepreisbremsen für Strom, Gas und Fernwärme sowie der Erweiterung der Sozialleistungssysteme (Bürgergeld, Wohngeld-Plus-Reform, Zweiter Heizkostenzuschuss) ist fraglich, ob noch der Bedarf für einen regionalen Härtefallfonds gegeben ist. Insofern hat sich für einkommensschwache Haushalte die Ausgangslage seit der Ankündigung der Härtefallfonds August 2022 bis jetzt deutlich verbessert. Das Land geht in seinem Übersendungsschreiben selbst davon aus, dass wegen der vorrangig zu realisierenden staatlichen Transferleistungen nur geringe Fallzahlen im Rahmen des Härtefallfonds zu erwarten sind.  

Die finanziellen Risiken werden durch die Rahmenvereinbarung einseitig auf die Kommunen verteilt. Beispielhaft dafür ist, dass Überzahlungen an Erstattungsleistungen von den Kommunen zu tragen sind und das Land für einen Zeitraum von fünf Jahren umfassende Prüf- und Kontrollrechte hat, wodurch es dazu kommen kann, dass das Land die geleisteten Unterstützungsleistungen als nicht den Voraussetzungen entsprechend bewertet und zurückfordert.

Die Kommune trifft eine erhebliche Vorausleistungspflicht im Hinblick auf Personal- und Sachkosten sowie an Unterstützungsleistungen für Leistungsberechtigte des Härtefallfonds, ehe im Nachgang ggf. ein Drittel der gewährten Unterstützungsleistungen vom Land erstattet werden kann. Das Land beteiligt sich zum Ausgleich des Verwaltungsaufwands lediglich in Höhe von 10% der gewährten Leistungen. An dem Verwaltungsaufwand für ggf. zahlreiche Ablehnungen beteiligt sich das Land nicht.  

BS|Energy hatte auf Nachfrage angekündigt, dass sich das Unternehmen ggf. höchstens mit einem sechsstelligen Festbetrag beteiligen würde. Für den Fall, dass wider Erwarten doch höhere Bedarfe aus dem Härtefallfonds zu leisten wären, hätte der städtische Haushalt daher voraussichtlich zusätzlich den größten Teil des Anteils des Versorgungsunternehmens zusätzlich zu tragen.

Bisher haben nur die Städte Göttingen, Emden und Osnabrück sowie der Landkreis Lüchow-Dannenberg einen solchen Härtefallfonds gegründet (Rundblick vom 23.02.2023).

Im Rahmen der Ansatzveränderungen zum Haushalt 2023/2024 wurde vorsorglich ein zusätzlicher Haushaltsansatz in Höhe von einmalig 100.000 € für das Haushaltsjahr 2023 als Grundstock für etwaige Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Härtefallfonds für Strom- und Gaskunden o.ä. berücksichtigt. Durch die Berücksichtigung dieses Haushaltsansatzes wird auch für den Fall des Abschlusses der Verwaltungsvereinbarung die haushaltstechnische Vorkehrung getroffen, dass der FB 50 entsprechende Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Härtefallfonds aus seinem Budget leisten könnte, ohne dass der zeitaufwendige Prozess einer außerplanmäßigen Mittelbereitstellung erforderlich würde.

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